Die Lebensgeschichte eines Menschen -
Haag Ivan
Iwan Haag ehemaliger politidcer Gefangene opfer des grossen Terrors der Kolimisher kommunistischer Konzlager


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In Poltawa war fur den Offizier schon eine Wohnung besorgt worden, auch fur mich gab es ein Zimmer. So war ich jetzt eigentlich Kriegsgefangener, jedoch auf freiem Fu?. Ich konnte frei in der ganzen Stadt herum gehen. Von der deutschen Soldatenkuche bekam ich Verpflegung. So war ich jetzt in Poltawa gleichzeitig Kriegsgefangener, Dolmetscher und Putzer beim Offizier. Lange dauerte auch das nicht. Wieder was Besonderes in meinem Leben: Eines Tages war ich gerade auf der Stra?e und mir wurde es sehr ubel. Ich blieb vor einem Haus stehen, setzte mich auf die Treppe vor dem Eingang, und dort verlor ich das Bewu?tsein. Zu mir kam ich nach 5 Tagen. Ich war allein in einem Zimmer. Ich war an Typhus (Fleckfieber) erkrankt. Spater erruhr ich folgendes: Die Leute, vor deren Eingang ich lag, fanden mich und dachten ich ware ein toter russischer Soldat. 

Dann merkten sie, da? ich nicht tot war. Sie entschlossen sich, das zu melden. Unweit war das Lazarett des Lagers. Dort gingen sie hin. Ein Sanitater kam und fand bei mir den Ausweis, da? ich der Putzer des Oberleutnants sei. Meine Kleider wurden mir abgenommen, ich in eine Leinwand gewickelt und ins Lazarett in ein isoliertes Zimmer gebracht. Als ich zu mir kam, sah ich einen Arzt vor mir. Ein gro?er Mann mit langem Gesicht und gro?er Brille. Er sagte: "Na endlich - bei der 48. Spritze bist du erwacht. Jetzt wirst du leben", und ging weg. Ich sah nur die Sanitater. Zutritt zu mir war streng verboten.

Eines Tages kam der Sanitater und fragte mich: "Wie fuhlst du dich? Deine Frau ist da, kannst du sie empfangen?" Fur mich war das unverstandlich. Ich dachte schon: 'Hab ich nicht wieder das Bewu?tsein verloren?' Der Sanitater wartete und fragte wieder: "Kannst du mit ihr sprechen?" Ich sagte: "La?' sie reinkommen." Er machte die Tur auf und ein junges hubsches Madchen trat ein. Das hatte ich nicht erwartet. Ich war schon lange nicht rasiert, schaute auf meine Hande, die nur Haut und Knochen waren und konnte kein Wort sagen. Sie sah meine Verlegenheit, stand eine Weile, dann sagte sie:

"Ich komme spater nochmal" und ging. Auch der Sanitater ging. Jetzt tat es mir leid. Warum hatte ich sie nicht gefragt, wer sie sei und wie sie hie?e?

Ab diesem Tag wartete ich jeden Tag, jede Stunde auf sie. Mir ging es immer besser, ich konnte schon aufstehen, bat um einen Spiegel, rasierte mich, aber sie kam nicht. Nach ein paar Tagen kam ein Junge, so mit 13, 14 Jahren und sagte: "Mich hat meine Schwester Nina geschickt. Ich hab euch eure Kleider gebracht." Er erzahlte mir, da? ich vor ihrer Tur gerunden wurde, da? die Sanitater mich entkleidet hatten und meine Kleider dort liegen geblieben waren.

Diese Leute hatten Mitleid mit mir und reinigten meine Kleider. Aus meinem noch russischen Soldatenbuch wu?ten sie, wer ich war. Nina, die damals zu mir kam, war die alteste Tochter in der Familie. Sie wu?te, da? ich gesund wurde, wollte mir meine Kleider bringen, wurde aber nicht zu mir gelassen. Dann sagte ihre Mutter: "Sag doch du bist seine Frau, dann lassen sie dich zu ihm." So hat sie es auch gemacht.

Ihr ahnt vielleicht, da? diese Nina, die ich damals zum ersten Mal sah, die damals sagte, sie ware meine Frau, dann wirklich meine Frau wurde, Eure Mutter und Grosmutter ...

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