Die Lebensgeschichte eines Menschen -
Haag Ivan
Iwan Haag ehemaliger politidcer Gefangene opfer des grossen Terrors der Kolimisher kommunistischer Konzlager


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Nachwort

Kurzer Bericht uber die letzten Tage und den Tod von Nina Haag.

So war es: Am 21. Januar, es war Sonntag, ein schoner sonniger Tag. Um 14.00 Uhr sa?en wir alle drei: Ich, Nina, Irine am Mittagstisch. Auf dem Tisch ein gutes Essen, Obst, Wein. Alle waren wir gesund und guter Stimmung. Nach dem Essen ging Irine in die Stadt spazieren. Nina nahm auf ihrem geliebten Sofa Platz, las im Buch. Ich sa? gegenuber, auch mit einem Buch.

Um 16.30 Uhr fiel ihr plotzlich das Buch aus der Hand. Ich dachte sie ware eingeschlafen, wollte sie hinlegen und erschrak. Sie zitterte am ganzen Korper, das Blut stieg ihr ins Gesicht, sie wurde rot. Sie konnte nichts sagen. Ich dachte sie stirbt, wollte um Hilfe rufen. Es war Sonntag, die Arzte nicht im Dienst. Ich ging zum Telefon. Dort lag zufallig eine Werbung vom Roten Kreuz mit der Telefonnummer. Ich rief an, bekam gleich Antwort, bat um Hilfe.

Nach 6 Minuten war der Rettungswagen mit 3 Arzten bei uns. Sie nahmen Nina mit ins Krankenhaus. Damals wu?te ich noch nicht, da? sie nie wieder zu uns zuruckkommen wurde. Ich fuhr mit. In der Zwischenzeit kam Irine nach Hause, erfuhr von den Nachbarn was geschah. In Bayreuth gibt es viele Krankenhauser. Irine wu?te nicht, in welchem wir waren. Wir waren in "Hohe Warte" am Stadtrand. Bis Nina untergebracht wurde war es schon dunkel. Ich wollte nach Hause, kam auf die Stra?e und mir begegnete Irine. Wie sie mich gefunden hatte, kann ich mir nicht erklaren.

Nach einer Woche, am 29. Januar wurde Nina in eine spezielle Klinik fur neurologische Rehabilitation uberfuhrt, in der ahnliche Falle behandelt wurden. Das war nicht weit von unserer Wohnung. Jeden Tag waren wir, zu Fu? oder mit dem Auto, bei ihr. Es ging ihr etwas besser. Sie konnte einigerma?en sprechen, konnte mit Muhe selbst essen, hatte manchmal ein klares Gedachtnis. Besonders an ihre Kinderund Jugendzeit erinnerte sie sich. Ihre linke Seite war gelahmt. Sie war bis Anfang April dort. Dann mu?te sie die Klinik verlassen. In der Klinik war eine Seelsorgerin, die sich um das Weitere kummerte. Sie fand, da? ich und Irine nicht imstande seien, Nina zu versorgen, weil wir im 2. Obergescho? wohnten. Unsere Toilette und das Bad waren nicht geeignet bei einer derartigen Krankheit. Diese Frau fand fur Nina einen Platz in einem sehr schonen Pflegeheim nicht sehr weit von uns.

Am 3. April wurde Nina ins Pflegeheim uberfuhrt. Es wurde nach ihren Ma?en ein Rollstuhl gemacht. Sie war in einem gemutlichen Zimmer mit Balkon, mit Femseher und mit Telefon am Bett. Sie wurde sehr gut gepflegt. Zwei Krankenschwestern waren fur sie verantwortlich. Leider konnte sie all das nicht nutzen, denn sie bekam einen neuen Schlaganfall. Sie konnte jetzt nicht mehr sprechen, nicht mehr essen, die Speisen nicht schlucken. Die Arzte im Pflegeheim sahen das und am l S. April brachten sie Nina wieder ins Krankenhaus "Hohe Warte", in dem sie beim ersten Mal war. Es ging ihr immer schlechter.

Irine und ich wurden zum Arzt gerufen. Wir kamen. Am Tisch sa?en zwei Arzte und teilten uns mit, da? Nina in ein paar Tagen sterben wurde, wenn sie nicht kunstlich ernahrt wurde. Es gabe aber die Moglichkeit, ihr durch eine Operation einen Schlauch einzuruhren, um sie zu ernahren. Diese Operation wollten sie ohne unser Einverstandnis nicht machen. Wir mu?ten unterschreiben, ob wir fur oder gegen die Operation seien. Wir beide standen vor einer sehr schweren Entscheidung. Wenn wir die Operation ablehnten, wurde sie nach ein paar Tagen sterben. Vielleicht wurden wir dann unser Gewissen beschuldigen, die Schuld an ihrem Tod zu tragen? So unterschrieben wir beide fur die Operation.

Am 24. April 2001 um 10 Uhr kamen wir ins Krankenhaus. Sie war nicht in ihrem Zimmer, war im Operationsraum. Um 12 Uhr wurde sie ins Zimmer gebracht. Sie stohnte, hat uns wahrscheinlich nicht erkannt. Um 14.30 Uhr ruhren wir nach Hause. Um 16.30 Uhr rief uns der Arzt an, Nina sei gestorben.

Nach 15 Minuten waren wir wieder im Krankenhaus. Sie war schon nicht mehr in ihrer Stube, war schon in der Todesabteilung. Sie war noch warm...

Ich hatte nie gedacht, da? ihr Tod mir so viel Schmerzen machen wurde, so viel Tranen. Sie hat auch ein Stuckchen von meinem Leben mitgenommen.

3 Monate und 3 Tage kampfte Nina furs Leben. Sie wollte so gerne noch ein bi?chen bei uns sein. Wie schmerzhaft war es fur uns, hilflos vor ihr zu stehen und ihr Leiden anzusehen. Jeden Tag waren wir, manchmal stundenlang, bei ihr. Wir hatten alles getan, was wir nur konnten, um sie zu trosten, konnten ihr aber nicht helfen. Besonders schwer war es fur uns jedesmal, wenn wir weg von ihr nach Hause gingen, sie aber dort blieb.

Wir haben sie mit aller Ehre beerdigt. Pastorin Singer hielt die Trauerpredigt. Auch Pastor Klinger aus Nurnberg kam zur Beerdigung. Sie ist auf einem sehr schonen Friedhof begraben. Auch fur mich ist nebenan schon ein Platz bestimmt.
So wurde Bayreuth fur uns unsere neue Heimat.

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