Die Lebensgeschichte eines Menschen -
Haag Ivan
Iwan Haag ehemaliger politidcer Gefangene opfer des grossen Terrors der Kolimisher kommunistischer Konzlager


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Ich mochte, auch nicht in Gedanken, das noch einmal erleben, deshalb will ich Euch daruber nichts schreiben. Aber von einem Ereignis will ich Euch doch erzahlen. Hinter mir lagen schon die Gefangenenzellen im KGB-Gebaude, die nachtlichen Verhore, auch das Gericht des Kriegstribunals, auch, der wochenlange, fast unmenschliche Transport mit Zug und Schiff nach Magadan waren uberstanden. Ich war schon im Lager bei einer Goldgrube. Die Verhaltnisse fast unmenschlich, die Baracken waren uberfullt, die Arbeit sehr schwer, Nahrung nur um am Leben zu bleiben. Eines Tages glaubte ich, ich habe Gluck: Es wurden 12 Mann gesucht die von Beruf Schlosser waren. Ich war unter den 12. Wir sollten nach Orotukan gebracht werden. Das war ein gro?er Ort, dort war eine Fabrik, in der Bergbau-Gerate repariert wurden. Dort arbeiteten nur freie Arbeiter. Die verdienten gut. Es sprach sich herum, dort sei es fur Straflinge viel leichter, es gabe warme Wohnungen und auch die Verpflegung sei besser. Ich dachte: 'dort kann ich am Leben bleiben'.

Am nachsten Tag mu?ten wir 12 im Lager bleiben, wir sollten abgeholt werden. Ich wartete angestrengt den ganzen Tag, das Auto kam nicht. Auch die ganze Nacht schlief ich nicht, das Auto kam nicht. Am nachsten Tag mu?ten wir 12 wieder im Lager bleiben. Ich wartete angestrengt, und habe nicht bemerkt, da? ich einschlief. Als ich wach wurde, waren die 11 weg. Ich fragte, wo sie seien. Der Aufraumer fragte mich, wie mein Name sei, ich sagte es ihm. Er fragte: "Wo warst Du denn, Du wurdest drei Mal aufgerufen, warst nicht da, die sind weggefahren." Fur mich war das so schwer, mir stiegen Tranen in die Augen und ich dachte, ich habe mein Leben verschlafen. Warum ich will, da? ihr das wi?t? Weil alle 11 dort bei einem Unfall umkamen. Heute noch frage ich mich ofter: Hat sich nicht Gott wieder in mein Leben eingemischt, oder war das auch nur ein Zufall?

Weil ich ofter den Namen Magadan und Kolema benutze, will ich kurz erklaren, was das bedeutet:

Eigentlich ist Magadan und Kolema ein und dasselbe. So oder so wird ein gro?es Gebiet im fernen Nordosten Ru?lands genannt. (Dieses Gebiet ist vielleicht gro?er als ganz Deutschland) Im Osten ist das die Grenze Ru?lands am Ochotskischen Meer, das Ru?land von Japan und Alaska (Amerika) trennt. Im Suden ist das Gebiet getrennt von einer Gebirgskette, im Norden das nordliche Eismeer und im Westen die unendliche Tundra. Im Winter bedeckt mit meterhohem Schnee, im Sommer Sumpf. (Dort, in der Tundra, sprengten die Sowjets ihre erste Atombombe.) Das ist eigentlich ein isoliertes Gebiet. Das einzige Tor zu diesem Gebiet ist die Hafenstadt Magadan am Ochotskischen Meer. Deshalb wird das ganze Gebiet meist Magadan genannt. Mitten durch dieses Gebiet, 450 km von Magadan flie?t der gro?e Flu? mit Namen Kolema, und ofter wird die ganze Gegend nach dem Flu? Kolema genannt. Also Magadan und Kolema ist ein und dasselbe Gebiet.

Diese Gegend ist reich an Gold und Steinkohle. Schon die Zarenregierung benutzte Straflinge, um hier Gold zu gewinnen. Bei den Sowjets war dieses Gebiet vollkommen unter KGB-Verwaltung, Weil es von dort eigentlich keine Flucht gab. Dort kann man nur mit dem Schiff oder Flugzeug rein oder rauskommen. Dort lebte ein Volksstamm, Tschukschr, ahnlich den Mongolen. Sie haben ihre eigene Sprache, eigene Kultur und beschaftigen sich mit Jagd, Fischfang und hauptsachlich Hirschzucht. Der Hirsch gibt ihnen Fleisch, Kleider, Wohnung. Ihre Zelte sind mit Hirschfellen bedeckt.

Natur: Meist Winter. Ein russisches Sprichwort sagt: Kolema, ein wunderbarer Planet, 12 Monate des Jahres Winter, das ubrige Sommer. Dort ist der Kaltepol der Erde. Dort geht im Winter die Sonne fast gar nicht auf (Polarnacht), im Sommer fast gar nicht unter. Im Sommer kann man 24 Stunden im Zimmer ohne Licht lesen, im Winter umgekehrt.

Pflanzenwelt: Die Baume, eigentlich nur Straucher, werden nicht hoch, weil die Erde nur wenig auftaut, tiefer ewiges Eis. In warmen Zeiten ist alles grun, Straucher erreichen eine Hohe bis zu drei Metern. Kommt der Winter, legen sich die Straucher wie gebrochen zur Erde, werden mit Schnee bedeckt. Nur eine wei?e Ebene ist zu sehen.

Jagd: Dort gibt es viele Orte, an denen noch kein Mensch war. Dort leben Hasen und Fuchse, der Bar ist dort der Konig. Im Flu? Kolema gibt es viele Fische, auch grose (Som).
Die Temperaturen sinken in den kalten Monaten bis -50°, -56° sogar bis -60°. Wenn es manchmal nur -40° sind, ist es dort 'warm'. Bei -50° und mehr sind die Schulen geschlossen. Um die Kalte auszuhalten, tragen dort alle warme Unterwasche, Wattenhosen, Wattenjacken, Filzstiefel. Der einzige Transport ist der Autotransport. Asphaltstra?en gibt es dort nicht, nur Grundstra?en. Aus Magadan werden Lebensmittel und anderes ins Inland transportiert. Von dort Steinkohle an alle Orte bis Magadan, auch fur das Stromkraftwerk. Manchmal gibt es im Sommer auch ganz schone warme Tage. Uber dieses Gebiet konnte man noch sehr viel erzahlen. Dort verbrachte ich fast 15 Jahre, Nina und die Kinder fast 8 Jahre.

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